Gewalt im Pflegeheim kein Einzelfall

In nicht wenigen Fällen von Gewalt im Pflegeheim wird den Bewohnern wohl nicht geglaubt wenn diese von Übergriffen des Pflegepersonals berichten. Womöglich wegen einer vorhandenen Demenzerkrankung haben Pflegekräfte einerseits ein „leichtes Spiel“ und andererseits recht schnell eine scheinbar passende Ausrede sollte der Vorwurf von Angehörigen geäußert werden.

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Die Kritikfähigkeit des Pflegepersonals lässt so manches mal sehr zu wünschen übrig. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Thema Gewalt in der Pflege eher als Tabuthema betrachtet wird als offensiv dagegen vorzugehen – beginnend bei der Ausbildung des Personals.

Die Dunkelziffer, wie oft den misshandelten Bewohnern auf diese Art und Weise in zweifacher Hinsicht Unrecht geschieht ist wohl höher als man dieses vermuten würde. Demenz bedeutet nicht pauschal, dass alles was diese Personen von sich geben völlig frei erfunden ist. Wenn wir den Pflegebedürftigen keinen Glauben schenken nur weil sie manchmal „abenteuerliche Geschichten“ von sich geben kann sich dies sehr negativ für sie auswirken. Das wachsame Auge der Angehörigen sollte deswegen stets vorhanden sein und Hilferufe dürfen nicht einfach überhört werden.

Gewalt im Pflegeheim hat viele Gesichter

Komplett falsch ist es unter dem Begriff „Gewalt im Pflegeheim“ einzig und allein körperliche Gewaltausübung des Pflegepersonals zu verstehen. Als Gewalt sind sowohl auch verbale Vergehen (Beleidigungen, sich lustig machen) wie auch die Verletzung der Intimsphäre (Körperpflege, Handlungen gegen den Willen der Person, Fixierungen etc.) zu verstehen.

Gerade verbale Entgleisungen des Pflegepersonals gibt es öfter als man es vermuten würde. Sich über einen Pflegebedürftigen z.B. wegen seiner Gebrechen lustig zu machen ist nicht nur moralisch als verwerflich anzusehen, es verletzt ihn auch in seiner Ehre.

Die Gegendarstellung des Pflegepersonals dahingehend ist es oftmals, dass auch Pflegebedürftige im Gegenzug beleidigend wären. Dieser Vergleich / Rechtfertigungsversuch hinkt ganz gewaltig. Sicher gibt es auch Bewohner die nicht als „einfach“ anzusehen sind. Nicht selten spielt aber auch deren Erkrankung (z.B. Demenz oder andere Persönlichkeitsveränderungen) eine entscheidende Rolle. Zur Verdeutlichung – eine am Tourett-Syndrom erkrankte Person kann mich auch als A…loch bezeichnen. Der Person dies zum Vorwurf zu machen und ihn genauso zu betiteln wäre falsch weil keine Absicht dahintersteckt.

Die Verfahrensweise „Auge-um-Auge – Zahn-um-Zahn“ ist hier kein probater Lösungsansatz und sollte gerade vom geschulten Pflegepersonal beachtet werden. Das Gegenteil ist leider oft der Fall.

Die Belastungssituation des Pflegepersonals in allen Ehren, sie darf dennoch keineswegs zur Gewalt in der Pflege führen, wird jedoch oft als Rechtfertigung angeführt. „Wir sind auch nur Menschen“ hört man immer wieder. Dem ist voll und ganz zuzustimmen mit einem entscheidenden Unterschied – es sind gesunde Menschen die ihren Willen auch nicht gebrochen bekommen wollen, von wem auch immer.

Bremen ist überall

In einem Altersheim in Bremen konnte ein Angehöriger die Misshandlungen an seiner Mutter nur durch eine illegale Videoaufnahme beweisen. Wie anders hätte er auch vorgehen sollen? Die erschreckenden Bilder dieses Videos von Radio Bremen zeigen wie sich die Gewalt in der Pflege äußerte.

Die offensichtliche Hilflosigkeit des deutschen Staates wird deutlich wenn man hört, dass die betreffende Pflegekraft zwar entlassen wurde, inzwischen jedoch in einer anderen Pflegeeinrichtung tätig ist. Ein Lehrer der mit Gewalt gegen Kinder auffällig wird erfährt nicht nur die Kündigung, er wird nicht wieder unterrichten dürfen.

Warum dies im Umgang bei Pflegebedürftigen mit ihren Schutzbefohlenen völlig anders gehandhabt wird bleibt wohl das Geheimnis unserer verantwortlichen Politiker im Gesundheitsministerium, aber auch der örtlichen Aufsichtsbehörden wie bspw. der Heimaufsicht.

Gewalt im Pflegeheim – ein Thema das uns alle angeht. Wegsehen und schweigen wäre hier ein fataler Fehler. Die Aufklärungsquoten sind gering genug, zu gering!

Fixierung im Pflegeheim – ein erschreckender Tatsachenbericht im TV

Der TV-Beitrag „Gefesselt im Heim“ von Jens Hahne, auf den ich gestern kurzfristig hingewiesen hatte, zeigte einen skandalösen Zustand was die Fixierung im Pflegeheim betrifft. Bilder sprechen eine deutlicher Sprache als 1000 Worte, den 30-minütigen Beitrag gibt es in der ZDF-Videothek zu betrachten. Für die Sensibilisierung von Angehörigen ein sehr empfehlenswertes Video um auch die Tricks der Pflegeheime besser zu erkennen.

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Speziell die „Tricks der Pflegeheime“ sind beispielsweise an Rollstühlen angebrachte Tische. Diese werden unter Umständen als praktisches Hilfsmittel für den Pflegebedürftigen deklariert. Als Hilfsmittel dienen solche Tischchen aber nur, wenn diese wirklich nur zur Nahrungsaufnahme verwendet werden. Dauerhaft, also ganztägig am Rollstuhl angebrachte Tische stellen wiederum eine Freiheitsberaubung (Fixierung) dar.

Für solche Situationen nicht sensibilisierte Angehörige würden den am Rollstuhl befestigten Tisch nie als Fixierungsersatz sehen.

Fixierung im Pflegeheim anstelle von Sturzprophylaxe

Stürze von Pflegebedürftigen lassen sich nicht immer verhindern, sie gehören zum einen oder anderen Krankheitsbild leider mit dazu. Was sich jedoch weitestgehend verhindern lässt sind die Folgen eines Sturzes – die dadurch entstehenden Verletzungen. Als Pflegekraft eine Fixierung generell als geeignete Sturzprophylaxe anzusehen bedarf einer wahrlich sehr regen Phantasie.

Die Langzeitfolgen einer Fixierung sind nicht nur teilweise als schlimmer zu betrachten als ein Sturz mit entsprechenden Schutzvorrichtungen wie ggf. ein Helm, Schutz für das Becken etc.

Die Liste der Folgen von Fixierungen ist sehr lang und reicht von Muskelabbau über Thrombosen und innerer Unruhe bis hin zur aktiven Förderung der Bettlägrigkeit (Pflegebedürftigkeit). Diese List verdeutlicht, Fixierungen sind eine mehr als ungeeignete Form der Sturzprophylaxe.

Betreuungsgerichte sind völlig überfordert

Jährlich kommt es zu etwa 100.000 Gerichtsverfahren zur Durchsetzung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM). Die Richter an den Betreuungsgerichten sind Juristen, was sie ganz klar nicht sind – fachkundige Pflegekräfte. Ein Richter kann nicht einschätzen in wie weit eine beantragte Fixierung tatsächlich erforderlich ist. Nicht zuletzt deswegen kommt es jährlich zu unzählig vielen Fehlurteilen von Betreuungsrichtern die auf das Wort der den Hilfsbedürftigen betreuenden Pflegekräfte vertrauen (müssen). Ein unhaltbarer und menschenunwürdiger Weg den es zu stoppen gilt.

Werdenfelser Weg

Der Werdenfelser Weg ist ein Projekt welches die Fixierung im Pflegeheim besser in den Griff bekommen möchte, in dem die Betreuungsrichter maßgebliche Unterstützung durch entsprechend geschulte Verfahrenspfleger erhalten und sich nicht alleine an den Aussagen einer ggf. völlig überforderten Pflegekraft orientieren müssen.

Fixierung im Pflegeheim ist nicht nur eine freiheitsentziehende Maßnahme, sie führt einerseits zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der fixierten Menschen und nimmt andererseits die Betroffenen jegliche Lebensqualität. Wenn man davon spricht, dass durch die Fixierung der Wille der Menschen gebrochen wird ist dies nicht auch nur ansatzweise übertrieben.

Es wäre weiterhin sehr wünschenswert, wenn in Gerichtsprozessen wegen Pflegemängeln ebenfalls entsprechende „Fachleute“ gehört würden. Denn nicht nur Betreuungsrichter sind in pflegerischer Hinsicht überfordert, auch die allermeisten Richter und Richterinnen an Amts- und Landgerichten sind offenbar einer fachlich richtigen Einschätzung nachvollziehbar nicht mächtig.